«Seit der Übernahme von Synthes hat Johnson & Johnson in der Schweiz Stellen geschaffen» | NZZ (2024)

Michelle Brennan, die beim amerikanischen Gesundheitskonzern Johnson & Johnson für DePuy Synthes verantwortlich ist, zeichnet ein zuversichtliches Bild für das grösste Medtech-Unternehmen in der Schweiz.

Giorgio V.Müller, Zuchwil

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Seit rund sechs Jahren . Die Übernahme hat die Amerikaner rund 20 Mrd. Fr. gekostet, was selbst für J&J ein grosser Brocken gewesen ist. Erst mit einer weiteren Akquisition, bezeichnenderweise wieder in der Schweiz, dem Erwerb des Basler Pharmaunternehmens Actelion Anfang dieses Jahres für rund 30 Mrd. Fr., wurde die Grossakquisition noch übertrumpft. Seither kontrolliert J&J, die sich gerne als «den weltweit am meisten diversifizierten Gesundheitskonzern» bezeichnet, nicht nur den grössten Orthopädie-, sondern auch den grössten Biopharmakonzern der Schweiz. Offenbar ist das Land ein gutes Jagdgebiet im Gesundheitssektor für die «Johnson & Johnson Family of Companies», die an 27 verschiedenen Standorten in der Schweiz über 6000 Mitarbeiter beschäftigt.

Weltmarktführer unter Druck

Doch die Phase nach dem Erwerb von Synthes war alles andere als einfach für den Käufer. Synthes wurde mit der Orthopädiesparte von J&J, DePuy, zusammengelegt, zu einem Zeitpunkt, als diese durch einen kostspieligen Produkterückruf belastet war. Bei gewissen Hüftgelenken, den ASR-Implantaten, kam es zu einem verheerenden Metallabrieb, was in der Folge zu Rückrufen und später zu teuren Sammelklagen und Nachfolgeoperationen führte. Einen ruppigeren Start hätte man sich kaum vorstellen können. Aus schweizerischer Warte war das weniger schlimm: Die unterschiedliche Verfassung der beiden zusammengeführten Teile hatte zur Folge, dass DePuy quasi in Synthes aufging.

DePuy Synthes ist Teil des Unternehmensbereichs Medical Devices & Diagnostics von J&J. 2016 erwirtschaftete dieser einen Umsatz von 25,1 Mrd. $. Darin enthalten sind auch die Aktivitäten der Bereiche Chirurgie, Diabetes und Wundheilung (Ethicon). Knapp die Hälfte der Sparteneinnahmen entfalle auf DePuy Synthes, erklärt Michelle Brennan im Gespräch.

Weltweit beschäftigt diese Einheit rund 18 000 Mitarbeiter, rund 3700 davon in der Schweiz. Im globalen Orthopädiegeschäft ist DePuy Synthes mit einem Marktanteil von 21% führend. «In 70% aller Produktekategorien sind wir die Nummer eins oder zwei», sagt Brennan.

Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Bereiche Gelenkersatz, Neurochirurgie, Gesichts- und Kieferorthopädie, chirurgische Antriebsmaschinen, Rekonstruktionsmedizin und Biomaterialien (z. B. abbaubare Implantate).

Die 52-jährige Amerikanerin ist seit zwei Jahren in der Region Emea (Europa, Nahost, Afrika) für die Bereiche Orthopädie, Chirurgie und Herz/Kreislauf verantwortlich. Kurz nach ihrer Ankunft im solothurnischen Zuchwil - am früheren Synthes-Hauptsitz befindet sich nun die internationale Medtech-Zentrale von J&J - hatte sie sich sogleich mit der Anfang 2016 ausgesprochenen Restrukturierung der Medtech-Sparte zu befassen. Innerhalb von zwei Jahren müssten 4 bis 6% der in rund 60 Ländern ansässigen Belegschaft oder rund 3000 Stellen gestrichen werden, lautete die Vorgabe. Bis 2018 würden damit 800 Mio. bis 1 Mrd. $ eingespart, wurde versprochen. Laut Brennan befindet sich die Restrukturierung auf Kurs: «Wir bauen unser Geschäftsmodell um.»

Die Schweizer Aktivitäten wurden deshalb schon vor dem globalen Sparprogramm optimiert, denn wie jede Fusion gab es auch in diesem Fall Doppelspurigkeiten. 3 Standorte wurden geschlossen, nun sind es noch deren 8. Diese seien nun zufriedenstellend ausgelastet, erklärt Brennan. Trotz allen Befürchtungen – 8 der insgesamt 14 Produktionsstandorte von DePuy Synthes befinden sich in der Schweiz – verlief die Restrukturierung für den Standort Schweiz vergleichsweise glimpflich: «Seit 2012 hat die Zahl der Arbeitsplätze von DePuy Synthes in der Schweiz um 5% zugenommen», sagt Brennan. Der Standort Schweiz sei sehr attraktiv, 80% der weltweit vom Unternehmen hergestellten Wirbelsäulenprodukte würden in der Schweiz hergestellt. Seit 1959 sei J&J in der Schweiz präsent. «Wir haben vor, hier zu bleiben», sagt Brennan.

Pharma wird wichtiger

Von aussen betrachtet hat das Medizintechnikgeschäft von J&J indes gegenüber dem Pharmabereich an strategischer Bedeutung verloren. Im dritten Quartal 2017 bestritt die Pharmasparte fast die Hälfte des Gruppenumsatzes, während der Medtech-Bereich noch auf rund einen Drittel kam. Nach der Übernahme von Synthes war das Medtech-Geschäft mit einem Umsatzanteil von fast 41% noch die grösste der drei Sparten (Pharma 38%) gewesen. Diese Entwicklung erstaunt, denn vor seiner Beförderung im Frühling 2012 zum Konzernchef leitete Alex Gorsky die Medizintechniksparte von J&J. Brennan will indes keine strategische Rückstufung des Medtech-Bereichs festgestellt haben. Das Pharmageschäft sei in den vergangenen Jahren wegen der guten Produktepipeline so stark gewachsen. «Alle drei Sparten von J&J sind gleichwertig und wichtig», sagt sie. Die kleinste Sparte umfasst eine grosse Palette von Konsumprodukten, nämlich Insulinpumpen, Blutzuckermessgeräte, frei verkäufliche Arzneimittel oder auch Lebensmittelprodukte wie Benecol und Splenda.

Mehrwert statt Volumen

Im Laufe ihrer 29-jährigen Karriere bei J&J lernte Brennan alle drei Sparten kennen. Von 2009 und 2012 war sie schon einmal in der Schweiz ansässig, als sie für die auf Wundheilung spezialisierte Tochtergesellschaft Ethicon die Geschäfte in der Region Emea zu verantworten hatte. Nach ihrer Rückkehr habe sie nicht glauben können, wie grundlegend sich der Markt verändert habe, erzählt sie.

Nun stehe Mehrwert und nicht das Volumen im Vordergrund. Spitäler hätten die gesamten Kosten der Patientenbetreuung im Blick und zeigten sich offen für neue Geschäftsmodelle, bei denen Anbieter und Kunde das Risiko teilten. Brennan ist überzeugt, dass J&J diesem schnellen Wandel gewachsen ist und sich für die Spitäler als Lösungsanbieter profilieren kann. Die guten alten Tage seien aber vorbei, sagt Brennan mit Blick auf den Preisdruck und das veränderte Marktumfeld. Die Spitäler stehen unter wachsendem Kostendruck. Der Erfolg nicht zuletzt in der Schweiz beweis in der Einschätzung der Amerikanerin, dass sich J&J auf dem richtigen Weg befindet.

Der rastlose Unternehmer Die Schwester des erfolgreichen Unternehmers und Mäzens Hansjörg Wyss zeichnet ein sehr persönliches und privates Porträt ihres Bruders, der am liebsten im Verborgenen grosse Taten vollbringt.

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